Praktisch über Nacht sitzt die Hälfte der Bevölkerung wegen der Corona-Krise nicht mehr mit den anderen Arbeitskollegen im Büro, sondern Zuhause im Homeoffice. So werden Unternehmen und deren Mitarbeitende quasi über Nacht zur digitalen Kollaboration gezwungen. Der tägliche Meeting-Marathon von einen Sitzungszimmer zum nächsten, soll plötzlich online stattfinden. Dies bringt nicht nur die IT-Infrastruktur an die Grenzen, sondern verlangt eine neue Online-Meetingkultur.
Als Sprecher habe ich eine tontechnische und rhetorische Sicht auf die inflationären Online-Meetings. In meinem zweiten Job als Unternehmensberater für Kundenprozesse sehe ich viele Angestellte, die mit diesem Shift grösste Probleme haben und mit ein paar Verhaltensregeln sowie den richtigen Tools solche Meetings einiges effizienter gestalten könnten. Aus diesem Grund gebe ich hier sechs hilfreiche Hinweise und Verhaltensregeln für eine Online-Konferenz.
Organisation, Vorbereitung & Einladung
Videoconferencing-Tools
Kreative Tools
Verhalten
Moderation
1. Organisation, Vorbereitung & Einladung
Was bei einer physischen Sitzung Sinn macht, ist online um so wichtiger. Geben Sie ihren Teilnehmenden in der Termineinladung eine klare Beschreibung, um was es im anstehenden Conf-Call geht und was von den einzelnen Personen erwartet wird. Hilfreich ist eine Agenda, die Inhalte und Ziele beinhaltet. Insbesondere zu fällende Entscheide, sollten klar formuliert sein. Wenn verschiedene Personen Inhalte beisteuern, sollte man im Voraus bei diesen nachfragen um über die Punkte Bescheid zu wissen und einschätzen zu können, wie viel Zeit diese in Anspruch nehmen. Wie beim Erstellen eines Budgets macht es auch bei Meetings Sinn, (zeitliche) Reserven einzuplanen. Es gibt immer Themen, die entweder intuitiv aufkommen oder Punkte, die länger dauern.
Neben einer Agenda für das Online-Treffen sollten Sie auch direkt einen Link zur Teilnahme am Meeting integrieren. Dabei spielt der nächste Punkt eine grosse Rolle: Welches Online-Meeting Tool ist beim Teilnehmerkreis etabliert/installiert? In der Microsoft-Welt gibt es direkt im Termin einen Button, mit dem man einen Skype- oder Teams-Link integrieren kann. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob alle Eingeladenen das entsprechende Tool installiert haben, oder die Kommunikation mit externen Teilnehmern möglich ist, fragen Sie nach oder probieren Sie es aus und zwar vor dem Meeting! Es gibt nichts Mühsameres als wenn man auf Teilnehmer warten muss, weil sie technische Probleme haben oder das Tool nicht beherrschen. Meistens muss dann der Organisator diesen Personen übers Telefon helfen, während alle anderen warten.
2. Videoconferencing-Tools
Wir leben in einer spannenden und innovativen Zeit, was Tools zur Kommunikation und Kollaboration angeht. Durch Cloud-Konzepte sind innovative Tools jederzeit für jeden verfügbar und es gibt Lösungen wie Sand am Meer.
Obwohl es hervorragende Software für digitale Konferenzen gibt, verwenden viele Firmen immer noch reine Konferenz-Schaltungen mit der guten alten Telefonleitung – als wäre die Post noch mit Pferd und Wagen unterwegs. In geschäftlichen Konferenzen gibt es praktisch immer Unterlagen, die besprochen werden sollen oder Inputs von anderen, die festgehalten werden wollen. Mit einer Kollaborations-Software kann man effizienter zusammenarbeiten, weil man Dokumente nicht allen Teilnehmenden per Mail zustellen muss, sondern mit der Funktion "Bildschirm teilen" alle dasselbe sehen und vom selben reden.
Bei der Wahl des Tools ist die zentrale Frage: Wer ist alles dabei und welche Tools werden von den Teilnehmenden bereits aktiv genutzt? Viele grössere Unternehmen haben strikte IT-Security Richtlinien, was eine freie Wahl einschränkt oder verunmöglicht. So stehen meist ältere, eingeschränkte Lösungen zur Verfügung, die aber von allen genutzt und so effizient eingesetzt werden können. Neben Insellösungen wie GoToMeeting, TeamViewer, Zoom usw. werden die Kollaborations-Softwares der grossen Player mit komplettem Ökosystem immer ausgereifter. So wird Microsoft sein Skype in naher Zukunft komplett mit Microsoft Teams ablösen. Dies ist eine vielversprechende Kollaborations-Lösung, sowie die Kommandozentrale im vielseitigen Microsoft 365-Universum. Da eine grosse Zahl von Unternehmen Microsoft Produkte einsetzt und sich Mircosoft/Office 365 immer mehr durchsetzt, ist MS Teams aus meiner Sicht eine der spannendsten Lösungen. Wenn man sich im Google Universum bewegt, ist Google Hangouts natürlich die sinnvolle Alternative.
Für einen Switch von einer etablierten Software wie Skype zu einer modernen Lösung wie Teams, braucht es bei Kollegen meist viel Überzeugungsarbeit, selbst wenn beide verfügbar sind. Das zahlt sich aber spätestens dann aus, wenn sie die Möglichkeiten und Vorteile der neuen Lösung kennen lernen.
3. Kreative Tools
Damit man auch online interaktive Meetings zur Ideenfindung durchführen kann, gibt es mittlerweile sehr spannende Tools wie Miro.com oder Mural.co, die über den Webbrowser genutzt werden können. Anstatt dass eine einzelne Person Online eine Präsentation hält, können auf diese Weise mehrere Teilnehmer gleichzeitig auf einer Webseite an einem Whiteboard arbeiten. Dies kann man für jeglichen kreativen Austausch verwenden. Von Feedbackrunden über klassische Mindmaps oder einem Business Model Canvas bis zu Customer Journey Maps oder Design Sprints gibt es unzählige Vorlagen, mit denen man kreative Prozesse strukturiert und zielorientiert durchführen kann. Jeder, der auf dem Whiteboard eingeloggt ist, ist mit seinem Mauszeiger sichtbar und so wirkt es, als wären alle Meeting-Teilnehmer im selben Raum an einem physischen Whiteboard. Der Moderator kann auch den Bildausschnitt des Whiteboards für alle Teilnehmer blockieren, damit die Gruppe sich nicht verzettelt und der Fokus auf dem aktuellen Thema bleibt. Um gesammelte Ideen zu bewerten, bieten die Tools auch eine Voting-Fuktion. Auf diese Weise kann man schon während der Remote-Session Ideen verdichten. Ein echter Mehrwert, um die Kollaboration trotz räumlicher Distanz aufleben zu lassen! Im nachfolgenden Video stellt eine Kreativ-Agentur Miro als Online-Collaboration-Tool vor.
4. Verhalten
Damit Online-Meetings oder Telefonkonferenzen nicht zu einem Spiessrutenlauf werden, braucht es ein paar Verhaltensregeln. Jeder der sich einloggt sollte anstelle eines reinen "Hallo zusammen" auch seinen Namen nennen. So ist für alle klar, wer dazugekommen ist, auch wenn man gerade nicht auf die Conferencing-App schaut und da den Namen des Sprechers sieht. Bei Meetings mit mehr als 3 Personen empfehle ich, dass sich alle Teilnehmer ausser dem Moderator stummschalten, solange sie nicht selber sprechen. Denn auch wenn man sich in einem ruhigen Raum befindet, sind immer Nebengeräusche zu hören (in diesem Blogartikel gehe ich detailliert darauf ein). Wenn Sie sich bei einer grösseren Gruppe ohne eingeschaltete Videokamera zu Wort melden, sollten Sie auch während dem Meeting bei jeder Wortmeldung Ihren Namen nennen, damit alle wissen, wer spricht. Ab ca. 8 Personen ist eine freie Diskussion praktisch nicht mehr möglich, da sich die Leute unbewusst ins Wort fallen und durch die Latenz des Tons übers Web kann das im Chaos enden. Darum sollte in grossen virtuellen Meetings der Moderator den Teilnehmenden das Wort "verleihen". Personen, die sich mitteilen wollen, können dies über den integrierten Chat oder eine dedizierte Funktion, die bei Microsoft Teams "Hand heben" heisst, anmelden. So kann sich jeder einbringen, ohne dass ein Chaos entsteht.
5. Moderation
Sobald ein Online-Meeting mit mehr als 4 Personen durchgeführt wird, empfehle ich einen Moderator/Meeting-Leiter einzusetzen, der durch die Agenda führt und je nach Teilnehmerzahl Personen auch aktiv zu einer Wortmeldung bittet. Der Moderator muss die Person sein, die am besten vorbereitet ist oder das Flair hat, die Gruppe durch die Themen zu führen. Er sollte auch in der Lage sein, Monologe zu unterbrechen und abschweifende Diskussionen wieder auf die Agenda und den Zeitplan zurück zu führen. Er kann Teilnehmende auf die Regeln aufmerksam machen oder Personen mit einer störenden Geräuschkulisse stummschalten. Der Moderator sollte er in der Lage sein, die Bedürfnisse der Teilnehmenden intuitiv zu erkennen und zu adressieren. Anstelle eines Protokolls macht es bei den meisten Meeting-Formen Sinn, die wesentlichen Punkte und Beschlüsse direkt im entsprechenden System einzutragen. Wenn Sie sich persönlich auf die Moderation konzentrieren möchten, fragen Sie einen Kollegen, der den Part des "Protokolls" übernimmt. Insbesondere Aufgaben, Timing und Verantwortlichkeiten sollten direkt in dem vom Unternehmen verwendeten Projektmanagement-Tool eingetragen werden. Falls Sie immer noch MS Project oder eine andere Legacy-Applikation verwenden: Sehen Sie sich einmal das zuverlässige und sehr einfach zu bedienende asana.com oder aber das innovative und unglaublich vielseitige ClickUp.com an.
Fazit
Seien Sie sich bewusst, dass Online-Meetings andere Herausforderungen als vor Ort Meetings mit sich bringen. Da man in virtuellen Konferenzen mit technischen Tools miteinander verbunden ist, ist vor allem ein angepasstes Verhalten gefragt. Ausserdem fehlt das räumliche resp. visuelle Gefühl, was man sich bewusst sein und darauf eingehen sollte. Online braucht es tendenziell mehr Struktur, aber vor allem sollte man die eingesetzten Tools eingehend testen und kennenlernen um Pannen und Wartezeiten zu minimieren. Einige dieser Herausforderungen habe ich hier und im eher technischen Artikel versucht zusammen zu tragen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Was sind Ihre Erfahrungen mit virtuellen Meetings? Schreiben Sie mir über das Kontkatformular. Ich wünsche Ihnen viel Freude und Erfolg!